Olivenöl-Spezial


«Ob grün oder gelb ist egal»

Martin Dalsass, Spitzenkoch bei Lugano, bereitet sogar Desserts mit Olivenöl zu. 12 stehen in seiner Küche

VON KARIN OEHMIGEN (TEXT) UND GIAN VAITL (FOTOS)  - Tages-Anzeiger vom 30.Juni 2002

«Santabbondio? Si, si, Signora. Conosco bene.» Der Taxifahrer steuert zielsicher den Hügel hinauf. Eine der besten Adressen im Tessin, die müsse er doch kennen, sagt er. « Essen ist meine Leidenschaft. »
Abseits vom touristischen Lugano, im Vorort Sorengo, liegt das Santabbondio, Domizil von Lorena und Martin Dalsass. Von aussen wirkt es überraschend bescheiden, nicht wie ein Gourmettempel, dessen Küche mit 18 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet ist. Doch kaum hat man den schmalen Eingang passiert und hinter dem Haus auf der Terrasse Platz genommen, ist man froh um diesen unprätentiösen Ort. Man wähnt sich in den Ferien, ein lauer Wind trägt den Duft von wilden Kräutern und Früchten herüber. Es sind Aromen, die sich in den Gerichten von Martin Dalsass wiederfinden: In den Cavatelli, den kleinen Teigwaren mit Meeresfrüchten, für die so mancher Feinschmecker seine Oma verkaufen würde; in der saftigen Kräuterkruste des Lammcarrés, selbst in der luftigen Mousse au chocolat, die hinter den Aromafacetten guten Kakaos nach der feinen Säure südlicher Früchte schmeckt.
Nicht ohne Grund: Martin Dalsass, Kenner und Liebhaber von Olivenöl, bereitet jedes Gericht, selbst seine Desserts, mit Olivenöl statt mit Butter zu.


SonntagsZeitung: Herr Dalsass, die Schokoladen-Mousse schmeckt toll. Welches Olivenöl verwenden Sie?
MARTIN DALSASS: Ein kräftiges, das sich gegen die Kakaobutter behaupten kann. Ich nehme ein Olio verde aus Sizilien.

Martin Dalsass
«Am besten in Halbliterflaschen im Schrank»: Martin Dalsass
 

Verde ist ein gutes Stichwort. Sind grüne Olivenöle besser als gelbe?
DALSASS: Ob grün oder gelb - die Farbe beeinflusst die Qualität nicht. Sie wird auch bei einer Degustation als Qualitätsmerkmal nicht berücksichtigt.

Warum sind manche dann grün?
DALSASS: Das kommt von der Verarbeitung grüner, noch unreifer Früchte.

Ist also ein Makel?
DALSASS: Nein, gar nicht. Es gibt dem Öl einfach einen besonderen Geschmack.

Was zeichnet ein gutes Olivenöl aus?
DALSASS: Die Frische. Und die Fruchtigkeit. Sie darf mild sein oder auch kräftig, leicht bitter oder scharf. Aber der Geschmack muss immer harmonisch sein.

Ist ein trübes Olivenöl besser als ein klares?
DALSASS: Nicht zwangsläufig. Für Viele ist ein frisch gepresstes, trübes Öl das beste. Viel wichtiger aber ist: Ein Olivenöl muss leuchten.

Wie viele Sorten Olivenöl stehen in Ihrer Küche?
DALSASS: Mindestens zehn, zur Zeit sind es zwölf.

Und die werden restlos aufgebraucht?
DALSASS: Natürlich. Ich brauche fast 800 Liter Olivenöl im Jahr.

Wie viele machen in einem normalen Haushalt Sinn?
DALSASS: Drei, vielleicht auch vier. Letztlich braucht es in einer normalen Küche ein mildes, ein mittleres und ein stark fruchtiges Öl.

Das steht aber nicht auf der Etikette. Welche sind mild?
DALSASS: Die ligurischen Öle sind mild, die toscanischen können mild, aber auch kräftig sein. Die sizilianischen gehören zu den kräftigen

Und welches passt wozu?
DALSASS: Das sizilianische passt gut zu Fisch, zu Gemüse und zu Desserts. Das liegt an seinem Zitrusaroma. Manche sagen auch, es schmecke nach Eukalyptus.

Und die toscanischen schmecken nach Trauben von den Weinbergen ringsum?
DALSASS: Für mich schmecken sie nach grünen Tomaten. Das passt wunderbar zu Teigwaren, aber auch zu Fleisch.

Und welches ÖI kommt in den Salat?
DALSASS: Das ligurische. Es passt aber auch gut zu Meeresfrüchten oder zu Flusskrebsen.

Wenn ich drei bis vier Olivenöle in der Küche habe-wie lagere ich die?
DALSASS: Auf jeden Fall nicht an der Wärme oder in der prallen Sonne. Am besten ist es, sie in Halbliterflaschen im Schrank aufzubewahren. Die Menge verbraucht man schnell. Der Vorrat gehört in den kühlen Keller. Dort hält er sich ohne Probleme ein ganzes Jahr.

Wie siehts denn mit dem Kühlschrank aus?
DALSASS: Geht auch. In der Kälte flockt das Öl, was seiner Qualität aber nicht schadet.

Es gibt mittlerweile auch ein gefrorenes ÖI. In der Degustation der SonntagsZeitung hat es gut abgeschnitten.
DALSASS: Ja, das ÖI zeichnet sich durch grosse Frische aus. Aber: Wenn es aufgetaut ist, muss es genauso lagern wie die anderen. Einfrieren kann man es nicht mehr.

Was halten Sie von Ölen mit Peperonioder Zitronengeschmack?
DALSASS: Wenig. Meistens sind die Öle nicht gut, und die eingelegten Früchte überdecken alles. Besser ist selber machen. Eine kleine Menge gutes ÖI nehmen und nach Geschmack aromatisieren. Ein, zwei Zitronenscheiben während zwei, drei Tagen einlegen - super zu Fisch.

Wie weiss man das alles?
DALSASS: Es gibt Degustationskurse, bei denen man lernt, Nase und Gaumen zu gebrauchen und ein gutes von einem schlechten Produkt zu unterscheiden. Der Rest ist learning by doing.

 
Grotto Santabbondio, via Fomelino 10, 6924 Sorengo, Tel: 091 994 32 37, Fax: 091 994 32 37


Dreigänger von Martin Dalsass: Ohne Olivenöl läuft nichts

L'involtino di tonno
L'involtino di tonno

Für 4 Personen: 200 g frischer Thunfisch, 1 Hummer (ca. 400 g), 2 Blatt Basilikum, 30 g Salicorn (Meerspargeln), Blattsalat, Olivenöl aus Ligurien (Affiorato, Mancianti)

Zubereitung: Den Hummer in einer Court Bouillon (Sud aus Gemüsen und Kräutern) 5 Miri. kochen. Aus dem Panzer lösen. Vom Hummerschwanz vier schöne Medaillons schneiden. Das restliche Hummerfleisch zerkleinern -etwas grober als ein Tartar - und mit Basilikum und Olivenöl abschmecken. Den Thunfisch in feine Scheiben schneiden und auf eine Frischhaltefolie legen. Salzen, mit dem Hummerfleisch belegen und aufrollen. Die Meerspargeln in Wasser kurz aufkochen. Abkühlen und mit Olivenöl abschmecken. Die Thunfischrolle in vier Stücke schneiden und auf einem Teller anrichten. Die Hummermedaillons leicht wärmen und dazu legen. Mit Meerspargeln und Blattsalat garnieren.

Tipp: Meerspargel, auch als Glasschmalz oder Salzkraut bezeichnet, ist kein Meeresgemüse, sondern ein Landgewächs. Sein salziger Gout erinnert an Fisch.

Le costine d'agnello del Sisteron
Le costine d'agnello del Sisteron

Für 4 Personen: 500 g Koteletts vom Sisteron-Lamm, 10 g Oliven, toscanisches Olivenöl (Petra), Sommergemüse Für die Oliven-Kräuterkruste:130 g grüne Oliven, 75 g Mie de pain (feinstes Paniermehl vom Weissbrot ohne Rinde), 25 g getrocknete Tomaten, 40 g Butter, 1 Knoblauchzehe,je 2 g Petersilie, Rosmarin, Basilikum und Thymian

Zubereitung: Alle Zutaten für die Kräuterkruste mixen, mit Hilfe einer Frischhaltefolie zur Rolle formen und kalt stellen. Die Lammkoteletts in etwas Olivenöl rosa braten. Würzen. Eine Scheibe der Oliven-Kräuterbutter darauf legen und im heissen Ofen kurz gratinieren. Das Sommergemüse grillieren, auf eine Platte legen, würzen und mit Olivenöl leicht nappieren. Die Lammkoteletts auf Teller verteilen, das noch warme Gemüse und die Oliven ringsherum anrichten. Mit einem Rosmarin- und Thymianzweig dekorieren. Tipp: Martin Dalsass reicht dazu eine aus Lammfond zubereitete Sauce.

La spuma di cioccolato all'olio d'oliva
La spuma di cioccolato all'olio d'oliva

Für 4 Personen: 180 g Kuvertüre,125 g Olivenöl (Valbelice, Sicilia), 3 Eigelb, 110 g Zucker, 3 Eiweiss, 200 g geschlagener Rahm, 40 g Walderdbeeren, 10 g Pfefferminzblätter,1 TL Puderzucker, 1 EL Olivenöl,fi Zitrone

Zubereitung: 3 Eigelb mit 55 g Zucker schaumig rühren; beiseite stellen. Die 3 Eiweiss mit dem restlichen Zucker zu steifem Schnee schlagen. Die Kuvertüre flüssig werden lassen und das Olivenöl langsam unterrühren. Die Eigelb-Zucker-Mischung zugeben und unterrühren. Zum Schluss das Eiweiss und den Rahm unterziehen. Während zwei Stunden kalt stellen. Die Pfefferminzblätter mit Puderzucker, Olivenöl und Zitronensaft abschmecken. Mousse mit dem Pfefferminzsalat und den Waldbeeren dekorieren. Tipp: Martin Dalsass serviert die Mousse, mit Puderzucker bestreut, in Ringen aus Schokolade. Dafür streicht er runde Förmchen (Backringe) mit flüssiger Kuvertüre inwendig aus und stellt sie kalt, bis die Schokolade fest geworden ist. Dann gibt er die Mousse in die Förmchen und stellt alles nochmals für zwei Stunden kalt.