Spezialität aus Österreich: der Tafelspitz

Spezialität aus Österreich: Es gibt verschiedene Rezepte für den Tafelspitz. Auch bei den Beilagen darf kreativ gekocht werden. (Stockfood)

Variation einer Tradition

Vom Hof kam der Tafelspitz zu den armen Leuten. Heute ist er ein butterzarter Genuss

Johanna Maiers Tafelspitz ist einzigartig. Und nicht nur, weil die Österreicherin mit ihren 19 Gault-Millau-Punkten kulinarische Spitze ist. Die «Hubertus»-Köchin von Filzmoos (bei Salzburg) hat sich zum traditionell Gesottenen eine butterzarte Version ausgedacht: Statt Rind- nimmt sie Kalbfleisch und übergibt es dem Ofen bei Niedertemperatur. Würde man das «Gustostückerl», wie Johanna Maier es nennt, «sieden», käme nicht dasselbe Ergebnis heraus. Die Meisterin des Tafelspitzs zeigt sich angesichts des zarten Rosa selbst beeindruckt.
    Der «Wiener Tafelspitz», wie Österreichs berühmtes Siedfleisch allgemein heisst, verdankt seine Erfindung der Hofküche. Um genau zu sein: Der k.u.k. Hof zu Wien schlürfte gesittet nur die Consommé, die konzentrierte, klare Kraftbrühe.

Das Fleisch überliess man den Bediensteten. «Abhub» nannte die Hofsprache den «Abfall» ihrer Tafeln. Und «Schmauswaberl» hiessen im Volk die «Weiberchen», die sich listig einen Weg dazu beschafften. Das erste «Schmauswaberl»-Lokal soll von der Witwe eines k. u. k. Leibhusaren eröffnet worden sein. Gewiss gab es dort nur hin und wieder Tafelspitz, den feinfaserigen, fettarmen Huftdeckel, der sich als Inbegriff für erste Güte einbürgerte. Nebst Hieferschwanzl, Kruspelspitz, schwarzem Scherzel oder magerem Meisel und wie die leckeren Suppenhappen sonst heissen. Doch die Zeiten haben sich geändert. «Die Leute wollen halt kein Fett mehr sehen», weiss die Köchin. Und sie weiss auch, dass Glücksgefühle beim Essen von Winzigkeiten abhängen. In diesem Fall ist es der Schnittlauch: Für Osterreicher gehört er einfach zum Tafelspitz. Johanna Maier streut mit den grünen Röllchen eine filigrane Brücke zum Original.

Doris Blum

Kalbstafelspitz - so wird er zartrosa

Das Rezept von Johanna Maier vom Restauranthotel «Hubertus» im österreichischen Filzmoos. Maier serviert den Kalbstafelspitz mit Baby-Artischocken und Rosmarinsaftel.

Zutaten: 700 g Kalbstafelspitz, 125 g gesalzene Butter, 8 kleine Artischocken, Rosmarin, Thymian, Olivenöl, 1/8l Weisswein, ¼l Geflügelfond, 8 kleine Strauchtomaten, Salz, Pfeffer, 1 gehackte Knoblauchzehe, 1 dunkler Kalbsfond, 1 Bund frischer Schnittlauch.

Zubereitung: Den Kalbstafelspitz kurz blanchieren und mit Butter bestreichen. Auf einen Rost legen (mit Blech darunter) und im 68°C heissen Ofen sechs bis acht Stunden garen. Für das rosa gegarte Fleisch sollte man einen Thermometer benützen! Mehrmals während des Garvorgangs mit Butter bestreichen. Die Artischocken putzen. Mit Rosmarin und Thymian anziehen, mit Weisswein und Geflügelfond ablöschen und köcheln lassen. Die Tomaten vierteln und mit Knoblauch in Olivenöl sautieren.

Alles abschmecken und vor dem Servieren unter die Artischocken mischen. Den Kalbsfond mit Rosmarin etwas einköcheln lassen. Den Tafelspitz aufschneiden und mit gehacktem Schnittlauch bestreuen. Jetzt noch Gemüse und Rosmarinsaftel dazugeben, und das feine Gericht darf serviert werden.