Neue Zürcher Zeitung

FORSCHUNG UND TECHNIK

Mittwoch, 6. Juli 2005 · Nr.155


Zeitreisen ohne Grossvater-Paradoxon

Konstruktive Interferenz verstärkt konsistente Geschichten

Spe. Zeitreisen erfreuen sich in der Science-Fiction-Literatur grosser Beliebtheit. Aber auch angesehene Forscher haben sich immer wieder mit dieser physikalisch nicht verbotenen Möglichkeit auseinandergesetzt. So entstand zum Beispiel auf der Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie die Idee, durch «Wurmlöcher» in einer gekrümmten Raumzeit in die Vergangenheit zu reisen. Zu den absurden Konsequenzen einer solchen Zeitreise gehört das sogenannte Grossvater-Paradoxon. Prinzipiell spricht nämlich nichts dagegen, dass ein Zeitreisender seinem Grossvater begegnet und ihn tötet, bevor die eigene Mutter gezeugt wurde. Der Zeitreisende wäre dann nie zur Welt gekommen und hätte folglich auch nicht in die Vergangenheit reisen können.

In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, wie sich dieses Dilemma vermeiden liesse. Einen neuen Vorschlag haben nun Daniel Greenberger von der City University of New York und Karl Svozil von der Technischen Universität Wien unterbreitet. Die Forscher untersuchten Zeitreisen auf der Basis eines quantenmechanischen Gedankenexperiments und fanden heraus, dass nur solche Reisen in die Vergangenheit möglich sind, die konsistent mit der eigenen Geschichte sind.

Es ist eine Besonderheit von quanten- mechanischen Objekten, dass sie sowohl Teilchen- als auch Welleneigenschaften besitzen. So wird ein Photon in einem Detektor als Teilchen nachgewiesen. Es kann sich jedoch auch wie eine Welle verhalten, etwa wenn es auf mehreren Wegen zum Ziel gelangen kann und sich dazu in Teilwellen aufspaltet. Die Wahrscheinlichkeit, mit der das Photon den Detektor erreicht, hängt dann davon ab, wie die Teilwellen miteinander interferieren - ob sie sich verstärken oder auslöschen. In ihrem Gedankenexperiment untersuchten die Forscher, wie sich eine zeitliche Rückkopplung auf die Chancen des Photons auswirkt, den Detektor zu erreichen.


Dazu wurde vor dem Detektor ein symbolischer Strahlteiler aufgestellt, der das Lichtquant mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit passieren lässt und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit reflektiert. Die reflektierte Teilwelle liess man in Gedanken rückwärts in der Zeit reisen und überlagert sie an einem zweiten Strahlteiler mit der einlaufenden Welle. Durch die Rückkopplung mit sich selbst kann das Photon nun auf zwei Wegen zum Detektor gelangen.

In den Weg, den das Photon ohne Rückkopplung eingeschlagen hätte, stellten die Forscher eine Barriere. Das kommt dem symbolischen Versuch gleich, den Grossvater zu töten. Wie die Berechnung der Forscher zeigte, schlug das Photon daraufhin mit hundertprozentiger Sicherheit den alternativen Weg ein - und zwar auch dann, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass es den todbringenden Pfad verfehlt, sehr klein ist. (Diese Wahrscheinlichkeit muss von 0 verschieden sein, weil das Photon sonst nie in der Zukunft ankäme.) Offensichtlich wird durch die Interferenz der einlaufenden Welle mit der rückgekoppelten Welle jener Pfad verstärkt, der konsistent mit der Geschichte des Photons ist, während der todbringende Pfad ausgelöscht wird.

Dieses Resultat ist in den Augen der Forscher überaus bedeutend. Es zeige, wie die Vergangenheit im Rückblick unveränderlich und determiniert erscheinen könne, ohne dass die Zukunft ihren probabilistischen Charakter verliere. Allerdings weisen die Forscher auch auf ein Manko ihrer Überlegungen hin. Wie man ein Photon rückwärts in der Zeit reisen lassen soll, ist ihnen selbst schleierhaft.

Quelle: www.arxiv.org/abs/quant-ph/0506027.