Neue Zürcher Zeitung

FORSCHUNG UND TECHNIK

Mittwoch, 15. Dezember 2004 · Nr.292


Der letzte gemeinsame Ahne

gsz. Genealogen bemerken manchmal, dass die gleiche Person in einem Stammbaum mehrmals auftaucht - etwa wenn die Cousine der Ururgrossmutter väterlicherseits auch die Tochter des Urururgrossvaters mütterlicherseits war. Eine solche Situation ist insbesondere zu beobachten, wenn die Familie während Generationen innerhalb enger geographischer Grenzen lebte oder einer kleinen Religionsgemeinschaft zugehörte. Aber das Phänomen muss auch für die Gesamtbevölkerung der Erde auftreten. Denn vor 40 Generationen, ungefähr um das Jahr 1000, hätten theoretisch von jedem heutigen Erdbewohner 240 direkte Vorfahren leben müssen, was einer Billion Ahnen entsprechen würde. Doch die gesamte Weltbevölkerung betrug damals nur gerade eine Milliarde Menschen.

Ein Mathematiker, ein Neurowissenschafter und ein Wissenschaftsjournalist sind diesem Problem nun näher auf den Grund gegangen, indem sie das Bevölkerungswachstum und das Paarungsverhalten der Menschheit der vergangenen 22'000 Jahre mit Hilfe von Computermodellen simulierten. In den Modellen war die Erdbevölkerung aufgrund geschichtlicher und vorgeschichtlicher Quellen in unterschiedlichen Dichten über die Kontinente verteilt. Auch wurden die Migration innerhalb der Kontinente und die gelegentliche Vermischung der verschiedenen Gruppen über die Wasserwege hinweg berücksichtigt, wobei Hafenstädte eine besondere Rolle spielten. Laut diesen Simulationen hat der letzte Vorfahre, den alle heute lebenden Menschen gemeinsam haben, vor 76 Generationen gelebt, also um 300 vor Christus. Zudem habe jeder heutige Mensch unter jenen Individuen, die vor 169 Generationen (um 3000 vor Christus) lebten, genau die gleiche Gruppe von Vorfahren. Die Stämme der übrigen damals lebenden Menschen seien ausgestorben.

Quelle: Nature 431, 562-566 (2004).